Klima – eine neue Perspektive
Kapitel
Kapitel 4: Wasser
Eine andere Betrachtungsweise
In der Klimadebatte geht oft die Tatsache unter, dass das Erdklima bereits stark gestört ist. Das ist schwer zu sehen, wenn das Gespräch sich nur um globale Mittelwerte und Vorhersagen von Computermodellen dreht. Aber ernste Klimaveränderungen zerstören schon jetzt das Leben von Millionen von Menschen. Um das zu sehen, müssen wir durch eine andere Linse schauen – es geht nicht um Temperatur und CO2, sondern um Wasser.
In den letzten Jahrzehnten wurde das Wort „Klima“ zunehmend gleichbedeutend mit „Temperatur“ gesetzt. Sie lesen in nahezu jeder Diskussion über die Dürren und Überflutungen, die fast den ganzen Planeten mit steigender Häufigkeit heimsuchen, dass der Klimawandel als ein wesentlicher, wenn nicht gar als der wesentliche Hauptgrund genannt wird. Früher war es allerdings genauso üblich, von feuchtem oder trockenem Klima zu sprechen wie von warmem oder kühlem Klima. Zunehmende Trockenheit oder Überflutungen werden nicht vom Klimawandel verursacht – sie sind der Klimawandel.
Während sich der größte Teil des Diskurses über den Klimawandel um die Temperatur dreht, ist das Wasser der klimatische Faktor, der das Leben am unmittelbarsten beeinflusst. Das Leben gedeiht in heißen Äquatorgebieten, weil es dort reichlich regnet, während Wüsten mit wenig Niederschlägen vergleichsweise karg sind, egal wie hoch oder niedrig die Temperatur dort ist.
Ob ein Landstrich für Menschen bewohnbar ist, hängt ebenfalls vom Wasser ab. Je regelmäßiger und reichlicher die Niederschläge, desto besser kann das Land eine große Bevölkerungszahl ernähren. Ein überdurchschnittlich heißer Sommer ist normalerweise keine große Bedrohung für die Ernte; bei Dürre droht hingegen eine Katastrophe.
Natürlich hat die Temperatur einen starken Einfluss auf Niederschlagsmuster, am direktesten über ihre Auswirkungen auf Wind- und Meeresströmungen. Darüber hinaus sind der Wasser- und der Kohlenstoffkreislauf eng miteinander verzahnt. Wir können nicht vom einen reden, ohne den anderen zu erwähnen. Ich möchte den Schwerpunkt der Diskussion verschieben, aber ich behaupte keineswegs, dass wir das CO2 links liegen lassen und uns nur mehr auf das Wasser konzentrieren sollten, weil es einen direkteren Einfluss hat. Wenn wir das Wasser an die erste Stelle setzen, werden wir sehen, dass sich das CO2– und das Erwärmungsproblem ebenfalls lösen werden.
Wasserdampf ist das wichtigste natürliche Treibhausgas auf dem Planeten und erklärt etwa 80 Prozent des Treibhauseffektes. Seine Effekte sind allerdings nur schwer zu modellieren, denn anders als CO2 ist er nicht gleichmäßig in der Atmosphäre verteilt. Wenn er darüber hinaus zu Wolken kondensiert, wirkt er kühlend, indem er während des Tages Sonnenlicht reflektiert, und wärmend, indem er vor allem in der Nacht die Erdoberfläche gleich einer Isolierschicht dämmt und Infrarot-Strahlung absorbiert, und all dies hängt noch von Wolkentyp und Höhe ab. Verdunstung und Kondensation von Wasser transportiert zudem Wärme aus niedrigeren Schichten der Atmosphäre in höhere Schichten, und horizontal von einer Region in eine andere. Das Zusammenspiel dieser regional variablen Wirkungen macht die exakte Modellierung des Wassers so schwierig.
Und zusätzlich erschwerend wirkt ein weiterer kritischer Faktor: das Leben. Bis vor kurzem sah man (die Wissenschaftler) das Niederschlagsgeschehen und die Wolkenbildung vornehmlich als Resultat geophysikalischer Prozesse. Wo es reichlich Niederschläge gab, gedieh das Leben; wo es wenig Regen gab, da entstanden Trockengebiete. Diese Sichtweise ist ganz in der tieferen Überzeugung zuhause, dass der Planet ein Wirt für das Leben, selbst aber nicht lebendig ist, und dass das Leben nur eine zufällige, biologische Ausblühung auf der Oberfläche eines ansonsten leblosen Felsens sei.
Die von James Lovelock und Lynn Margulis formulierte Gaia-Theorie postuliert, dass das Leben günstige Lebensbedingungen schafft und machte damit der konzeptuellen Trennung von Geologie und Biologie ein Ende. Indem dieses Paradigma in die Wissenschaft einsickert, ermutigt es einen neuen Wahrnehmungsstandpunkt, der Dinge offenbart, die zuvor unsichtbar waren – unsichtbar für Wissenschaftler, aber nicht für traditionell lebende und indigene Menschen.
Der Paradigmenwechsel im Bezug auf den Klimawandel ist nicht ein Wechsel vom CO2 zum Wasser, sondern eine Verschiebung von der geomechanischen zur Gaia-Sichtweise, einer Sichtweise lebender Systeme. Unabhängig davon, ob wir nun auf den Kohlenstoff oder das Wasser schauen, sehen wir aus der Perspektive lebender Systeme, dass die Balance des Klimas von der Gesundheit lokaler Ökosysteme in aller Welt abhängt.
Die Gesundheit lokaler Ökosysteme hängt wiederum von der Balance der Wasserkreisläufe ab, und die Balance der Wasserkreisläufe hängt vom Bodenleben und den Wäldern ab.