Klima – eine neue Perspektive
Kapitel
Kapitel 3: Die Schein-Diversität der Klima-Meinungen
Ein Besuch in der Welt der Skeptiker
Wir gegen die – dieses Drama inszeniert unsere Kultur anscheinend automatisch, nicht nur als „Kampf gegen den Klimawandel“, sondern, immer auf der Suche nach einem identifizierbaren Feind, auch als Kampf gegen jene, die bezweifeln oder leugnen, dass der Klimawandel wirklich stattfindet. Die Idee dahinter ist folgende: Gelänge es bloß, die unheilige Allianz aus Öl-, Gas- und Kohle-Konzernen, deren Finanziers und Investoren, politischen Verbündeten und einer kleinen Minderheit von korrupten Akademikern aufzubrechen, dann könnten wir sinnvoll und schnell handeln um den Klimawandel aufzuhalten. Es ist klar, wer der Feind ist. Wir können also in den gewohnten Kampfmodus übergehen.
Eine allgemeine Taktik der Kriegsführung ist die Entmenschlichung des Feindes. Also ist es für Klimaschutz-Aktivisten fast selbstverständlich, dass die, die nicht an den menschengemachten Klimawandel glauben, nicht im Vollbesitz ihrer geistigen oder moralischen Kräfte sein können: geizig sind sie, korrupt, verblendet, borniert; Heuchler sind sie, Lügnerinnen und Psychopathen. Wie könnten sie sonst die erdrückenden Beweise ignorieren, die Erkenntnisse der „etablierten Wissenschaft“, den Konsens von „97 Prozent der Klimawissenschaftler“? Das ist nicht nachvollziehbar. Das ist empörend.
Im Vertrauen, dass ich selbst kein Heuchler, Lügner, oder Psychopath und im Besitz zumindest eines Teils meiner mentalen und moralischen Integrität bin, beschloss ich, die Ansichten der Klimaskeptiker genauer unter die Lupe zu nehmen.
Das Lager der Klimaskeptiker dreht die obigen Anschuldigungen um und spricht von Inkompetenz und Korruption der etablierten Klimawissenschaftler. (Die differenzierter denkenden Vertreter betonen den Gruppenzwang, die Verzerrung durch Schwerpunktsetzung bei Publikationen und Forschungsförderung und politischen Druck als Hauptmechanismen, die die orthodoxe Lehrmeinung stärken.) Als Reaktion auf die Schublade „Klima-Leugner“ werfen sie dem Mainstream Panikmache vor.
Anhand des oben Gesagten mag es scheinen, als sympathisiere ich eher mit den Skeptikern, weil ich beide Positionen als gleichwertig darstelle. Das mag denen, die an den Klimawandel glauben, als falsche Unparteilichkeit erscheinen. Im Zweiten Weltkrieg verteufelten einander die Nazis und die Alliierten ja auch, und trotzdem macht das beide Seiten nicht gleichwertig. Es gab damals die Guten und die Bösen (richtig?). Und noch mehr gilt das in diesem Krieg hier, wo das Überleben der Menschheit auf dem Spiel steht.[1] Eine mögliche Legitimität der Feindposition auch nur in Erwägung oder die Berechtigung des Krieges in Zweifel zu ziehen ist schon Verrat – „rendering aid and comfort to the enemy“[2] wurde das im Krieg gegen den Terror unter Präsident Bush genannt. Es ist auch Verrat, keine Position zu beziehen. So funktioniert die Kriegslogik.
In Kriegszeiten ziehen Pazifisten mehr Feindseligkeit und Verachtung auf sich als der Feind selbst. Warum? Weil eine Pazifistin die Gültigkeit und Legitimation der Rollen, mit denen sich die Leute identifizieren, und die Erzählung, an die sie glauben, in Frage stellt. Sie stellt eine existentielle Bedrohung – zwar nicht des Überlebens, aber der Identität – dar.
Als ich mich in die Lage der Skeptiker versetzte, stellte ich mich bewusst naiv und lehnte die jeweilige Sicht beider Seiten auf die andere ab. Ich nahm vorübergehend an, dass die meisten an dieser Debatte Beteiligten zwar nicht vollkommen, aber doch kompetent und intelligent sind und die Sache ernst nehmen. Ich griff mir verschiedene Standpunkte im Standard-Klima-Narrativ heraus und las dann ausführlich die besten skeptischen Blogs und Websites, die ich finden konnte, um zu sehen, was sie denn eigentlich zu scheinbar unwiderlegbaren Beweisen für eine globale Erwärmung sagen. Ich las auch die besten und geduldigsten Entkräftungen der Argumente der Skeptiker, die ich finden konnte. Lassen Sie mich ein solches repräsentatives Abenteuer erzählen, mit von mir entsprechend zugespitzten Antworten – für den dramatischen Effekt.
Ich begann bei einem scheinbar unwiderlegbaren Beweis für die anthropogene globale Erwärmung (AGE): der „Hockey-Schläger-Kurve“ von Michael Mann, die eine rapide Beschleunigung des globalen Temperaturanstiegs im zwanzigsten Jahrhundert zeigt. In der Kurve folgt auf Jahrhunderte mit relativ stabilen Temperaturen eine rasche Erwärmung, die sich fast perfekt mit dem Anstieg von CO2 in der Atmosphäre deckt. Mit den Zahlen lässt sich nicht verhandeln. Gewiss, eine Korrelation ist kein Beweis für einen ursächlichen Zusammenhang, aber es gibt keine andere Erklärung für so einen drastischen, nie dagewesenen Anstieg. Das macht einen kausalen Zusammenhang wahrscheinlich, besonders angesichts der Tatsache, dass CO2 als Treibhausgas wirkt. Wie könnte ein intelligenter Mensch einen so zwingenden Beweis ernsthaft anzweifeln?
Das wollte ich herausfinden. Die Klimaskeptiker behaupten, dass bei den statistischen Methoden, die der Hockey-Schläger-Kurve zugrunde liegen, gravierende Fehler gemacht wurden.[3] Sie kritisieren, dass sowohl die heutigen als auch die historischen Messdaten unzuverlässig, unvollständig und mit einer Tendenz, die immer den Temperaturanstieg in jüngster Zeit begünstigt, schwer „adaptiert“ sind: alte Messwerte wurden nach unten, jüngere nach oben korrigiert. Die Temperaturdaten, die aus Jahresringen rückgerechnet wurden, sagen sie, berücksichtigen nicht, dass die Bäume nicht nur wegen niedrigerer Temperaturen, sondern auch wegen einer geringeren CO2-Konzentration oder weniger Regenfällen langsamer gewachsen sein könnten.[4] Daten aus der Gegenwart halten sie auch für unzuverlässig, weil es urbane Wärmeinseln gibt. Im Gegensatz zu früher liegt eine unverhältnismäßig größere Zahl von Wetterstationen in der Nähe von Abluftöffnungen von Klimaanlagen oder bei Parkplätzen, Flughäfen, Wasseraufbereitungsanlagen und anderen Wärmequellen.[5] Außerdem werden Rohdaten in einem Prozess namens Homogenisierung nach oben angepasst.[6] Wenn eine Wetterstation Daten liefert, die nicht mit denen der benachbarten Stationen übereinstimmen, werden ihre Daten unter der Annahme homogenisiert, dass sie kaputt ist oder mikroklimatischen Einflüssen unterliegt. Aber meistens, sagen die Skeptiker, werden die Daten jener Messstationen, die niedrigere Werte liefern, nach oben korrigiert, oft im Vergleich zu Stationen, die höheren Temperaturen ausgesetzt sind, weil sie in der Nähe von Gebäuden oder Asphalt stehen. Diese Probleme haben einige Forscher dazu veranlasst, sich alternative Datensätze von Satelliten anzusehen, die nicht den Wechselfällen der ungleich verteilten Messwerte auf der Erdoberfläche unterliegen. Schließlich sagen theoretische Modelle des Treibhausgaseffekts vorher, dass sich die gesamte Troposphäre erwärmt. Diese alternativen Datensätze, sagen die Skeptiker, stimmen gut miteinander überein und zeigen einen viel langsameren Temperaturanstieg als die Daten von der Erdoberfläche, die die Grundlage für den steil ansteigenden Bereich der Hockey-Schläger-Kurve sind. Jedenfalls sind die heutigen Temperaturen immer noch niedriger als während der Mittelalterlichen Warmzeit, die man immer wieder aus der Welt zu diskutieren versuchte. Außerdem sagen die Skeptiker, dass die historischen CO2-Konzentrationen den Temperaturschwankungen folgen, nicht vorausgehen, und dass sie oft gar nicht korrelieren. CO2-Werte, die aus Eisbohrkernen rekonstruiert wurden, sind um Messpunkte bereinigt, die vom Standard-Narrativ abweichen, mit der Begründung, dass es sich dabei um Kontaminationen handeln müsse.
Meine Güte – wie konnte ich nur so dumm sein und die von der „hehren Wissenschaft“ verhökerte Parteilinie für wahr halten? Wie alle anderen bin ich auf die orthodoxe Lehrmeinung hereingefallen. Wie konnte mir das nur passieren?
Nur um sicher zu gehen sehe ich mir jetzt noch an, was die Klimaforscher auf diese Vorwürfe antworten. Moment mal, die Dinge liegen nicht so, wie die Skeptiker behaupten. Die Kritiker der Hockey-Schläger-Kurve nützen einen oder zwei unbedeutende Fehler, um gleich die ganze Publikation zu diskreditieren. Außerdem wurden die Fehler in der Version der Publikation von 2008 korrigiert. Seit der Originalartikel veröffentlicht wurde, bestätigten zahllose andere Artikel, die andere Näherungswerte verwendeten, wieder und wieder, dass die letzten zwei Dekaden die wärmsten der letzten zweitausend Jahre sind.[7] Es gibt jetzt viele, viele Rekonstruktionen von Paläoklimadaten in Form von „Hockey-Schläger-Kurven“, die alle mehr oder weniger mit der von Michael Mann veröffentlichten übereinstimmen.
Was die Satellitendaten angeht, haben die Skeptiker nicht berücksichtigt, dass der durch den Bahnabstieg[8] auftretende Abkühlungseffekt korrigiert werden müsste. Man kann den Rohdaten der Temperaturmessungen nicht trauen. Zweitens sind Temperaturmessungen auch durch „tageszyklische Drift“ verzerrt. Drittens messen die Satelliten gar nicht direkt die Temperatur; sie messen Mikrowellen, die vom atmosphärischen Sauerstoff abgestrahlt werden, und die nur indirekt mit der Temperatur zusammenhängen. Viertens beruhen die Grafiken, die ich mir angeschaut hatte, auf gewichteten Durchschnittswerten aus verschiedenen Lagen der Troposphäre, die so gewichtet wurden, dass die kühleren Temperaturen vermutlich überschätzt wurden. Außerdem müssen Messungen von verschiedenen Sensortypen vereinigt und angepasst werden, damit man sie auf einer Skala darstellen kann. Jedenfalls nahmen die Wissenschaftler die Unstimmigkeiten ernst, aber nachdem sie die Ursachen untersucht und die Messwerte angepasst hatten, stimmten die Satellitendaten mit den Messwerten von der Erdoberfläche und den theoretischen Modellen recht genau überein. Außerdem gibt es eigentlich fünf Datensätze von Satellitenmessungen, und die Skeptiker zeigen immer den einen, der die geringste Erwärmung zeigt – obwohl dieser am wenigsten mit Daten von Wetterballons übereinstimmt, einer weiteren Möglichkeit der Temperaturmessung der Troposphäre.[9]
Es scheint nur so, sagt der Mainstream, als würden historische CO2-Konzentrationen auf die Temperaturanstiege folgen, weil steigende Temperaturen eine positive Rückkopplung auslösen, die eine geringfügige Erwärmung verstärken.
Was den Effekt von Wärmeinseln und die Datenanpassungen betrifft, sagt der Mainstream, dass diese sehr penibel gehandhabt wurden, um Verzerrungen in den Rohdaten zu eliminieren.[10] Außerdem stimmen die Messdaten aus ländlichen und städtischen Gebieten im Wärmeanstieg, den sie zeigen, überein.[11] Dasselbe gilt für die CO2-Konzentrationen in Eisbohrkernen. Die Wissenschaftler hatten sehr gute wissenschaftliche Gründe, Ausreißer in den Messwerten zu eliminieren, die nicht korrekt sein konnten, weil es keinen Mechanismus gibt, durch welchen CO2-Werte in einer solchen Höhe erklärt werden könnten. Die langwierigen Diskussionen der Wissenschaftler untereinander einfach zu ignorieren und es sich mit der Meinung leicht zu machen, sie hätten zugelassen, dass die Daten gemäß irgendeiner vorgefassten „Agenda“ manipuliert wurden, sei eine Beleidigung der Wissenschaftler und zeuge von einem tiefen Unverständnis für die Art und Weise, wie Wissenschaft wirklich gemacht wird.
Wow, bin ich froh, dass ich diese Entkräftungen echter Wissenschaftler, die nicht von der Erdölindustrie gesponsert werden, gelesen und nicht zugelassen habe, dass sich eine gewisse Parteilichkeit für die Klimawandel-Leugner in dieses Buch einschleicht. Fast hätten mich die Leugner gehabt. Wer glaube ich denn überhaupt zu sein, mir einzubilden, dass ich es besser wüsste als die Klimatologinnen, die dieses Thema seit Jahrzehnten erforschen? Wie arrogant ist der Gedanke, dass ich nach ein paar Wochen „Forschung“ im Internet glaubte beweisen zu können, dass sie falsch liegen und ihnen die Intelligenz oder die Integrität fehlte, das zu erkennen? Ich schäme mich, dass ich ihnen nicht vertraut habe.
Um wirklich gewissenhaft zu arbeiten, werde ich mir noch ansehen, ob die Skeptiker darauf etwas zu sagen haben. Das haben sie. Die 2008 veröffentlichte Version des Artikels von Mann, sagen sie, enthalte dieselben Mängel wie das Original, und andere „Hockey-Schläger“-Studien verwenden dieselben problematischen Temperatur-Näherungswerte. Sie behaupten, dass Wetterstationen auf dem Land den selben Aufwärtstrend zeigen wie städtische, weil sie zwar als ländlich definiert sind, aber viele davon trotzdem in Gegenden stehen, die schon relativ urbanisiert sind. Sie sagen, dass der Bahnabstiegsfaktor in Wirklichkeit schon seit zwanzig Jahren korrigiert ist, und dass er außerdem nur die Messungen in der niedrigeren Troposphäre betrifft, die hier gar kein Thema sind. Die tageszyklische Drift wurde auch korrigiert. Die Mikrowellen sind sogar ein besseres Maß für die Temperatur als der elektrische Widerstand, der für Messungen an der Erdoberfläche verwendet wird. Das Klima-Establishment „passt die Daten“ ständig „an“, sobald sie nicht in ihr Narrativ oder zu ihren Modellen passen, und jede Anpassung ist selbstverständlich eine Korrektur nach oben. Die Datensätze, die mit den Wetterballonmessungen übereinstimmen und einen größeren Temperaturanstieg zeigen, tun das, weil sie Messwerte von einem Satelliten enthalten, die nicht um eine Kalibrierdrift korrigiert wurden und dann entsprechend einem Klima-Modell, nicht entsprechend den empirischen Daten an die tageszyklische Drift angepasst wurden.[12]
Es sieht so aus, als wäre ich schon wieder jemandem auf den Leim gegangen, als ich die autoritär wirkenden Zurückweisungen der Minderheitsposition glaubte, ohne die Wissenschaft dahinter wirklich zu verstehen.
Mir wird klar, dass ich mir bei diesem Hin und Her am Ende wahrscheinlich gar keine rein auf Beweisen basierende Meinung bilden kann. Als ich der Frage der Temperaturmessungen ein bisschen weiter nachging, verstrickte ich mich in einem Gewirr von Details über Atmosphärenphysik, statistische Methoden usw., für die mir einfach der wissenschaftliche Hintergrund fehlt, sie zu verstehen. Und, wohlgemerkt, mit meinem Abschluss in Mathematik von der Yale Universität, bin kein Analphabet in Sachen Wissenschaft. Wenn ich in dieser Frage zu keinem Ergebnis kommen kann, wie soll das dann der Durchschnittsbürger können? Außerdem zeigt die Uneinigkeit zwischen denen, die den nötigen wissenschaftlichen Hintergrund haben, dass ich vermutlich auch auf keinen grünen Zweig käme, selbst wenn ich mir die Grundlagen erarbeitete. Was mir bleibt, ist die nicht auf Beweisen beruhende Entscheidung, wem ich vertraue.
Wenn Sie weder Klimatologe, Meteorologe noch Atmosphärenphysikerin sind, sitzen wir im selben Boot. Ob wir an eine anthropogene globale Erwärmung glauben, hängt hauptsächlich davon ab, ob wir die Autorität und Integrität der etablierten Wissenschaftler akzeptieren; dazu gehört auch ein Glaube an die Vertrauenswürdigkeit von akademischen Publikationen, an die Unvoreingenommenheit im Peer-Review-Prozess und in der Forschungsförderung und an die Fähigkeit der Wissenschaftler und Institutionen, dem Bestätigungsfehler zu widerstehen. Für viele Menschen – besonders Liberale und Progressive – ist die Wissenschaft die einzig vertrauenswürdige Institution, die unserer Gesellschaft geblieben ist. Den anthropogenen Klimawandel in Frage zu stellen, heißt einerseits die Quelle für legitime Wahrheit schlechthin in unserer Kultur und darüber hinaus auch die anderen Institutionen, die sich durch die Wissenschaft legitimieren, anzuzweifeln.[13] Deshalb gehören besonders in den USA jene, die nicht an den Klimawandel glauben, meist der religiösen Rechten an, die auch nicht an andere noch grundlegendere wissenschaftliche Theorien glaubt. Wenn jemand meint, die Evolutionstheorie sei eine riesige unheilige Verschwörung, die die biblische Schöpfungsgeschichte verleugnet, dann ist es von dort kein großer Schritt mehr, auch den Klimawandel für unwahr zu halten. Es steckt sogar ein Körnchen Wahrheit im spöttischen Vergleich von Klimawandel-Leugnerinnen mit Leuten, die an eine flache Erde glauben.[14] Das Körnchen Wahrheit liegt nicht im Spott, denn sie sind nicht verrückt oder dumm. Sie rebellieren gegen die erkenntnistheoretische Oberhoheit der dominanten Kultur.
Ein anderer Faktor, der jemanden dafür empfänglich machen könnte, nicht an den Klimawandel zu glauben, ist, dass er tief verwurzelte wirtschaftliche, soziale oder politische Ansichten bedroht. Wenig überraschend sind die Klimawandel-Skeptiker meist politisch konservativ. Sie sind typischerweise gegen politische Regulierungen der Wirtschaft und sehen den Klimawandel als eine gefährliche Rechtfertigung für zunehmende Beschränkungen. Sie sind meist für die ungezügelte Ausbeutung der „natürlichen Ressourcen“ und nehmen die Anschauung nicht ernst, dass es natürliche Grenzen des menschlichen Wachstums gibt, die nicht von der Technologie überwunden werden können. Sie sind meist für Atomenergie, für das Fracking, für Tiefseebohrungen, für den Kohleabbau und für das Vorantreiben industrieller Entwicklung auf dem ganzen Planeten. Recht oft (aber nicht immer) meinen sie, dass wir dem Klima nicht schaden, weil sie allgemein der Ansicht sind, dass wir der Umwelt nicht schaden; dass wir uns keine allzu großen Sorgen über Gentechnik, chemische Abfälle, Atommüll, Plastik in den Weltmeeren, Pestizide, pharmazeutische Abfälle, die Zerstörung von Lebensräumen usw. machen müssen. Außerdem sind Klimawandel-skeptische Blogs und besonders deren Kommentare gespickt mit islamophoben Ressentiments („die Regierung bindet uns mit dem Klimawandel einen Bären auf, um uns von der wahren Bedrohung, dem Islam, abzulenken!“) und anderen Enten der alternativen Rechten.
Kurz zusammengefasst gibt es zwei nicht auf Beweisen beruhende Gründe, an den anthropogenen Klimawandel zu glauben: erstens ein Vertrauen in die Wissenschaft als Institution und zweitens die schlechte Gesellschaft jener, die bezweifeln, dass er stattfindet.
Was war nun also das Endergebnis meiner Expedition in die Welt des Klima-Skeptizismus? Wenn Sie immer noch darauf warten, dass ich die Frage „Auf welcher Seite stehe ich?“ beantworte, müssen Sie sich, fürchte ich, noch ein Weilchen in Geduld üben (bis zum Ende dieses Kapitels). Was ich jedenfalls herausfand, ist, dass jede Seite die andere falsch einschätzt. Die Fraktion der Skeptiker, obwohl sie zweifelsohne im Dunstkreis von Ignoranz, Pseudowissenschaft und noch Schlimmerem angesiedelt ist, wird auch von vielen vernünftigen, wissenschaftlich bewanderten Einzelpersonen unterstützt, die wegen ihrer heterodoxen Ansichten heftige Feindseligkeiten über sich ergehen lassen müssen. Wenn man Klimaskeptiker analog zum „Krieg gegen das Böse“ zu bekämpfen versucht (was schon mit der Verunglimpfung als „Klimawandel-Leugner“ beginnt), geht man von falschen Voraussetzungen aus. Obwohl ich denke, dass sie manchmal Daten übersehen oder kleinreden, die nicht ihre Position unterstützen, sind prominente Dissidenten wie Judith Curry, John Christy, Roy Spencer, Jim Steele und Stephen McIntyre weder korrupt noch dumm noch unaufrichtig, und zumindest manche von ihnen sind auch leidenschaftliche Umweltaktivisten, denen die fortschreitende Zerstörung der Umwelt am Herzen liegt. Außerdem haben, zumindest aus der Perspektive eines Laien, der sich beide Seiten angeschaut hat, manche ihrer Kritikpunkte ihre Berechtigung. Ob der Mainstream Recht hat oder nicht, die Wissenschaft und die Öffentlichkeit würden von einem respektvolleren und weniger dogmatischen Umgang mit den Skeptikern jedenfalls profitieren.
Dass die Skeptiker sich ihrerseits über das wissenschaftliche Establishment lustig machen, ist auch falsch. Wenn ich mit Klimawissenschaftlern spreche und wissenschaftliche Veröffentlichungen lese, ist es für mich offensichtlich, dass diese Menschen im Allgemeinen auch gewissenhafte, verantwortungsbewusste Wissenschaftler sind, denen der Planet wirklich am Herzen liegt. Wenn skeptische Blogger sie bezichtigen, Teil einer bösen Verschwörung zu sein, kriminell fahrlässig zu handeln und finanziell korrupt zu sein oder versteckte „politische Agenden“ zu verfolgen, wenn sie abwertende Karikaturen von „Ökos“ und „Gutmenschen“ verbreiten, dann untergraben sie die Glaubwürdigkeit aller legitimen Kritikpunkte, die sie sonst vertreten mögen.
Außerdem machen sich Skeptiker, die keine ausgebildeten Wissenschaftler sind, häufig schwerwiegender intellektueller Nachlässigkeiten schuldig, was den Verdacht nahelegt, dass sie es sind, die eine politische Agenda verfolgen. Unkritisch verbreiten sie unsolide Beweise und Argumente weiter, die den erwünschten Schlussfolgerungen dienen. Um ein repräsentatives Beispiel zu nennen: Mir kam eine zuverlässig wirkende Grafik von Temperatur-Näherungswerten aus Eisbohrkernen unter, die tausende Jahre zurück reichte. Sie zeigte anscheinend für einen Zeitraum von vor zehntausend Jahren bis heute, dass die Temperaturen während der Minoischen, der Römischen und der Mittelalterlichen Warmzeit viel höher als heutige Temperaturen waren.[15] Sie wurde in einem rechten Blog veröffentlicht, dessen Grundaussage war: „Das Klima-Establishment muss idiotisch oder korrupt sein, wenn ihre eigenen Daten zeigen, dass die heutigen Temperaturen weit unter denen vergangener Perioden liegen.“ Bei den Kommentaren herrschte einhellige Zustimmung. Die Grafik beeindruckte mich, also suchte ich nach der Informationsquelle, einem peer-reviewten Artikel von R.B. Alley.[16] Dort sah ich, dass die Kurve, die der Blogger gezeichnet hatte, höchst irreführend war, weil die Datenquelle, auf die er sich bezog, nur bis 1905 reichte (was vernünftig ist, weil Eisbohrkerne keine brauchbaren Näherungswerte für ganz aktuelle Temperaturen liefern). Aber die Kurve war so beschriftet, dass es schien, als reichte sie bis zum heutigen Tag. Sie zeigte also nur, dass die historischen Temperaturen viel höher als jene 1905 waren – bevor die Erwärmung aufgrund der heutigen Emissionen richtig eingesetzt hat.[17]
Natürlich bedeutet das Verhalten einer Meute von wissenschaftlich nicht gebildeten und politisch motivierten Anhängern nicht automatisch, dass die Argumente der Skeptiker unbegründet sind. Es sollte uns aber vorsichtig machen und uns den Bestätigungsfehler – unseren eigenen und den der anderen – bewusst machen. Mit Bestätigungsfehler ist die Neigung gemeint, Beweise zu bevorzugen, die eine bestehende Ansicht untermauern oder Beweise so zu interpretieren, dass sie diese Ansicht bestätigen. Also nahmen die rechten Blogger diese Grafik bereitwillig an, ohne sie in irgendeiner Weise zu prüfen, obwohl ein kurzer Blick auf die Originaldaten die Kurve als Schwindel entlarvte.
Je mehr Ego der eigenen Meinung anhaftet, desto wahrscheinlicher begeht man Bestätigungsfehler. Anzeichen für dieses Anhaften des Ego sind zum Beispiel Rechthaberei, Selbstgefälligkeit und Verachtung für die, die nicht zustimmen. Leider muss ich sagen, dass ich alle drei Formen sehr häufig in Texten von beiden Seiten sehe, weshalb ich in keine der beiden viel Vertrauen setze. Lesen Sie die Blogs und Kommentare jeder Seite und fragen Sie sich, ob diese Menschen bereit wären einzugestehen, dass sie Unrecht haben.
Und Sie, liebe Leserin, lieber Leser, denken jetzt wahrscheinlich, dass der Bestätigungsfehler Sie selbst kaum betrifft. Aber beobachten Sie, wie Sie reagieren, wenn Sie etwas lesen, das gegenüber Ihrer Position in Sachen Klimawandel kritisch ist. Prüfen Sie so etwas nicht viel genauer als eine Aussage, die Ihrer eigenen Position entspricht? Wer ist dieser Typ? War das in einem Journal mit Peer-Review? Wird er von Ölfirmen finanziert? Wie könnte ich die Aussage als falsch entlarven? usw. Mit dieser Einstellung braucht es nur einen ganz oberflächlichen Gegenbeweis, einen Rufmord, substanzlose Anschuldigungen etc., und man verwirft die Kritik. Ebenso werden Sie vermutlich Artikeln, die Ihre Position bestätigen, einen Freibrief erteilen. Sie werden sich keine Mühe machen, einen Blick auf die nicht angepassten Rohdaten zu werfen oder die Verlässlichkeit von Temperaturnäherungswerten zu hinterfragen usw. Man verallgemeinere diese Tendenz, und schon sind wir in einer Gesellschaft mit zunehmend nicht miteinander kommunizierenden Wirklichkeitsblasen, die einander bekriegen, während ihre versteckten Agenden und Interessen weiterhin unbeachtet bleiben und nicht näher hinterfragt werden.
Anmerkungen
[1]Ich beziehe mich hier auf das Standard-Narrativ des Zweiten Weltkriegs. In Wirklichkeit gab es eindeutig die böse Seite, aber es ist nicht so klar, ob es auch eine gute Seite gab. Der Krieg gegen die Achsenmächte war unentwirrbar mit seinen historischen Ursprüngen und US-amerikanischen imperialistischen Ansprüchen verquickt. Der Sieg über noch schlimmere imperiale Mächte war ein glücklicher Nebeneffekt.
[2]Anm. d. Ü.: etwa: „Feindeshilfe und Unterstützung des Feindes“, eine Formulierung, die Neutralität mit Landesverrat gleichsetzt, welcher in vielen Ländern mit dem Tod bestraft wird.
[3]Lesen Sie zum Beispiel Muller (2004) oder eine zugespitztere Formulierung von Krueger (2013). Eine vereinfachte Zusammenfassung der Kritik an den verwendeten statistischen Methoden finden Sie bei Moriarty (2010).
[4]Moriarty (2010).
[5]Siehe Watts (2009).
[6]Bei Steele (2013) finden Sie eine vernünftige Darstellung dieser Behauptung.
[7]Moriarty (2010).
[8]Anm. d. Ü.: „orbital decay“- die kontinuierliche Abnahme der Bahnhöhe eines Körpers, der ein astronomisches Objekt umkreist.
[9]Foster (2016).
[10]Hausfather und Menn (2013) erklären, wie das in etwa gemacht wird.
[11]Mothincarnate (2015).
[12]Spencer (2016).
[13]Ich möchte hier nicht die wissenschaftliche Methodologie selbst anfechten, sondern hinterfragen, ob sie von den wissenschaftlichen Institutionen entsprechend eingehalten wird. Ob deren Scheitern beim Einhalten der wissenschaftlichen Methodologie tiefere epistemologische und ontologische Probleme widerspiegelt, ist ein anderes Thema. Die wissenschaftliche Methodologie basiert auf unausgesprochenen Annahmen (wie einer vom Beobachter unabhängigen Wirklichkeit), die innerhalb ihrer Grundannahmen nicht getestet werden können. Dass wissenschaftliche Institutionen augenscheinlich an der objektiven Wahrheitsfindung scheitern, könnte unweigerlich auf die Begrenzung ihrer metaphysischen Grundlagen und nicht auf eine bedingte Unzulänglichkeit zurückzuführen sein, die im Prinzip durch Reformen von Peer-Review, akademischen Praktiken, strengeren Anforderungen an die Reproduzierbarkeit von Experimenten etc. eliminiert werden könnte.
[14]Ich kenne mehrere sehr intelligente Menschen, die glauben, dass die Erde flach ist. Die steigende Beliebtheit der Theorie von der flachen Erde spiegelt eine wachsende Entfremdung der Öffentlichkeit vom wissenschaftlichen Establishment wider. Das wird versucht zu erklären mit der Arroganz der Wissenschaftler oder ihrer ungeschickten Öffentlichkeitsarbeit, mit der Unzugänglichkeit der hochspezialisierten Wissenschaftssprache oder der Dummheit und Ignoranz der Öffentlichkeit. Eine andere Möglichkeit ist, dass sich die etablierte Wissenschaft dieses Misstrauen durch ihr Bündnis mit dem wirtschaftlichen oder auch ideologischen Establishment selbst zuzuschreiben hat. p.s.: Ich glaube, dass die Erde rund ist. p.p.s.: Zumindest in so fern als das objektive „ist“, im Sinne der Identität, ontologisch gültig ist.
[15]Ich möchte die Grafik hier nicht abdrucken, weil ich fürchte, dass sie jemand aus dem Kontext reißen könnte. Sie können sie leicht im Internet finden, wenn Sie nach „GISP2 Ice Core Temperature Data Last 10,000 Years“ suchen.
[16]Alley (2000).
[17]Diese Nachlässigkeit macht die Tatsache zweifelhaft, dass es während der Minoischen, Römischen und Mittelalterlichen Warmzeit wahrscheinlich wärmer als heute war.