Klima – eine neue Perspektive
Kapitel
Kapitel 3: Die Schein-Diversität der Klima-Meinungen
Das Ende der Welt
Eine politisch progressive Freundin erzählte mir von den Erfahrungen, die sie machte, als sie eine Woche mit ihren angeheirateten Verwandten verbrachte, die ausschließlich Fox News konsumieren. Am Ende der Woche, sagte sie, konnte sie nachvollziehen wie es dazu kam, dass ihre Verwandten die Wählerschaft von Hillary Clinton für Idioten halten mussten. Die konservativen Medien erzeugen ihre eigene Wirklichkeitsblase.
Das Gleiche könnte man über den Klimaskeptizismus und seine Gegenwelt, die Welt der Klima-Katastrophenszenarios sagen. Ich ermutige Sie, einige Zeit in jeder dieser Wirklichkeitsblasen zuzubringen. Das Lager der Apokalyptiker wird von Wissenschaftlern und Autoren wie Guy McPherson, Paul Ehrlich, Paul Beckwith, David Wallace-Wells, und Malcolm Light angeführt und kritisiert die Mainstream-Klimawissenschaft aus ähnlichen Gründen wie die Klimaskeptiker. Sie sagen, dass die Wissenschaftler Daten ignorieren, die nicht in deren Weltsicht passen, oder auf die sie psychologisch nicht gefasst sind. Selbst wenn sie erkennen, dass es schon zu spät ist, lassen sie sich aus politischem Opportunismus dazu verleiten, ihre Vorhersagen abzumildern. Privat sind sie viel pessimistischer als ihre öffentlichen Aussagen vermuten lassen. Berichte des Weltklimarates sind unter dem politischen Druck ähnlich verwässert. In Wahrheit sind wir, sagen sie, dem Untergang geweiht.
Pikanterweise laufen Klima-Skeptizismus und Klima-Pessimismus, wenngleich aus entgegengesetzten Richtungen kommend, beide auf Passivität hinaus. Was hilft es, wenn sich die eine Seite nicht engagiert, weil sie denkt, dass es kein Problem gibt, und die andere, weil sie denkt, es gäbe keine Lösung?
Apokalyptisches Denken führt im Allgemeinen dazu, dass man sich am System, das man kritisiert, mit schuldig macht. Die Position der Apokalyptiker scheint nur radikal zu sein, aber in Wirklichkeit ist sie völlig kompatibel damit, dass alles so weiter läuft wie bisher. Die Wissenschaftlerin Eileen Crist kommt zu einer ähnlichen Ansicht und schreibt:
Fatalismus ist eine Einstellung, die die Trends verstärkt, aus denen er entstanden ist, und führt dazu, dass man sich diesen Trends fügt. Dieses Sich-Fügen, das der Fatalismus bewirkt, ist für fatalistisch Denkende nicht erkennbar, weil sie sich ja nicht als Konformisten sondern einfach als Realisten sehen.[1]
Der „Realismus“, auf dem so viele Diskussionen über das Klima basieren, nimmt viele der Ansichten und Systeme als gegeben, die die Krise überhaupt erst ausgelöst haben. Was wir für wahr halten, könnte aber eine Projektion der Erzählung sein, mit der wir uns die Welt erklären. Und was die Systeme betrifft – sie wurden ausnahmslos von Menschen geschaffen. Die Menschen können jedes einzelne auch verändern.
Die Prognosen der Apokalyptiker reichen von massiven Störungen, die die Tropen unbewohnbar machen und die Nahrungsmittelversorgung zusammenbrechen lassen, bis zur Auslöschung der Menschheit in naher Zukunft (innerhalb meiner Lebenszeit) oder sogar bis zu einem Treibhaus-Effekt außer Rand und Band, der die Erde zur Venus macht. Ich lade Sie ein, die Website Nature Bats Last von Guy McPherson zu durchstöbern, wo Sie einen Katalog der wissenschaftlichen Beweise für die apokalyptische Position finden. Die Auslöschung in naher Zukunft ist auf positive Rückkopplungsschleifen zurückzuführen, die den Klimawandel beschleunigen. Zum Beispiel:
- Die Erwärmung der Arktis führt zum Schmelzen von Methanhydraten unter Wasser, wodurch Methan in die Atmosphäre gelangt und die Erwärmung verstärkt.
- Das Gleiche passiert mit Methan- und CO2-Vorkommen, die im Permafrost gespeichert sind.
- Höhere Temperaturen erzeugen mehr Wasserdampf, der mehr Wärme zurückhält.
- Der Albedo-Effekt: Wenn das Eis in der Arktis, das das Sonnenlicht reflektiert, schmilzt, wird mehr Sonnenlicht von der Erdoberfläche absorbiert.
- Die Erwärmung verursacht veränderte Klimamuster, die zu Wald- und Torfbränden führen, wodurch Ruß entsteht, der den Schnee verschmutzt, der dann schneller schmilzt.
- Die Methanfreisetzung aus Süßwasservorkommen nimmt bei höheren Temperaturen zu.
- Mehr CO2 führt zu mehr Kohlensäure im Regen, die Gestein aus Kalziumkarbonat angreift und noch mehr CO2 freisetzt.
Die größte Besorgnis bezieht sich auf das Methan. Nach Malcolm Light liegt allein unter dem Arktischen Ozean hundert Mal mehr Methan als ausreichen würde, um ein großes Artensterben zu verursachen.[2] Selbst wenn nur ein Prozent davon freigesetzt würde, verursachte das einen Anstieg der globalen Temperaturen um 10°C – genug um alle Wirbeltiere auszurotten.
Und, sagen die Apokalyptiker, das ist schon längst im Gange, und es ist unumkehrbar. Die Rückkopplungsschleifen haben schon eingesetzt. Die Arktis wird bald eisfrei sein. Das antarktische Schelfeis von Larsen B und C steht vor dem Kollaps. Der Westantarktische Eisschild verliert 150 Kubikkilometer Eis pro Jahr. Die Meere erwärmen sich doppelt so schnell als man früher dachte. Der Meeresspiegel steigt mittlerweile exponentiell an.
Ich werde die Übung von vorhin nicht wiederholen und Sie nicht noch einmal durch die Antworten des Mainstream auf diese Punkte, die Antworten auf die Antworten usw. geleiten. Das Methan hat nicht so schnell zugenommen wie die Apokalyptiker vorhersagen. – Doch, die Methankonzentration ist angestiegen, aber das Methan liegt in einer höheren Schicht in der Atmosphäre als dort wo gemessen wurde. – Nein, sie ist nicht gestiegen, diese Behauptung ist Spekulation und beruht auf lückenhaften Daten. – Oh ja, sie ist gestiegen …
Wenn Sie das interessiert, empfehle ich Ihnen wirklich, sich eine gute Woche Zeit für ein Literaturstudium der Argumente der Apokalyptiker zu nehmen und eine zweite Woche, um die Texte der Skeptiker zu lesen (die Website Watts Up With That? ist ein guter Ausgangspunkt, oder Matt Ridley‘s Essay The Climate War‘s Damage to Science).[3] Es ist erstaunlich, wie intelligente Menschen, die alle ihre Informationen von der sogenannten Wissenschaft beziehen, zu so dramatisch gegensätzlichen Schlussfolgerungen gelangen können. Was passiert hier? Jedes Lager schmiedet verschiedene psychologische und politische Theorien, um die Uneinsichtigkeit der anderen Seite zu erklären. Alle sind überzeugt, dass sie die Wissenschaft auf ihrer Seite haben.
Aus Gründen, die in diesem Buch noch klar werden, akzeptiere ich das Narrativ der Apokalyptiker nicht. Es hat jedoch drei wichtige Wahrheiten zu bieten:
Erstens findet tatsächlich ein großes Sterben auf diesem Planeten statt, und die Menschen sind dafür verantwortlich. Die meisten Menschen und Institutionen stecken den Kopf in den Sand und sehen das nicht oder erlauben sich nicht, es zu spüren.
Zweitens stehen wir wirklich vor dem Ende der Welt. Nicht dem wörtlichen Ende der Zivilisation oder der Menschheit, aber vor einem so tiefgreifenden Wandel, dass es danach so sein wird, als lebten wir in einer anderen Welt. So tief müssen die Veränderungen gehen, damit die ökologische Krise gelöst werden kann. Wir stehen vor einer Initiation, einer Metamorphose, die uns in eine neue Art von Zivilisation führt. An dieser Stelle ändert sich auch, was möglich, machbar und realistisch ist. Keinesfalls ist sicher, dass wir die Prüfung bestehen und in diese neue Welt gelangen. Die Apokalyptiker machen uns darauf aufmerksam, dass die Möglichkeit des Scheiterns besteht. Sie erkennen, dass eine Todesphase notwendig ist, dass unser jetziges kollektives Selbst sterben muss. Die Wiedergeburt sehen sie nicht. Und das ist normal. Zu einer echten initiatorischen Prüfung gehört der Moment, in dem man wirklich nicht weiß, ob man sie durchstehen wird oder nicht.
Drittens haben die Apokalyptiker Recht damit, dass konventionelle Mittel, Methoden und Denkweisen bei weitem unzureichend sind für die Aufgabe, den Planeten zu heilen. Die Apokalyptiker sind wie die Stimme, die dem Mann im Labyrinth sagt: „Bleib einfach stehen.“ Sie ahnen nicht, dass für uns durch dieses Stehenbleiben ein neuer Kompass verfügbar wird, eine Melodie, die uns herausführen kann. Die Lage ist hoffnungslos, ja, aber nur innerhalb der Logik und Weltsicht, mit der wir momentan festsitzen. Diese Weltsicht (die die Krise überhaupt erst ausgelöst hat), macht uns handlungsunfähig, weil ihre Palette an Handlungsmöglichkeiten nicht ausreicht um die Aufgabe zu lösen, die vor uns liegt.
Viele meiner Leserinnen und Leser hatten vielleicht zumindest eine solche Erfahrung in ihrem Leben, durch die ihr Glaube an das, was möglich ist, erschüttert wurde: ein vorausahnender Traum, die Genesung von einer „unheilbaren“ Krankheit, eine unheimlich genaue hellsichtige Eingebung, eine erstaunliche Synchronizität, eine Begegnung mit einem UFO – etwas, das darauf hindeutet, dass die Wirklichkeit viel mehr ist als das, was man uns glauben machte. Wenn Sie so etwas erlebt haben, frage ich Sie: Denken Sie auch in ihrer Verzweiflung daran? Oder halten Sie solche Überlegungen von Ihrem „Realismus“ streng getrennt?
Paradoxerweise sind gerade manche Apokalyptiker in ihrer Verzweiflung wirklich auf ein entscheidendes Thema in dieser Melodie, die uns herausführen kann, gestoßen. Sie sagen, weil ja alles sowieso hoffnungslos ist, können wir unser Leben genauso gut der Liebe, der Schönheit und dem Leben widmen. Ja! Das ist der Ausgangspunkt, denn unser momentanes Dilemma ist das Ergebnis einer langen Geschichte der Geringschätzung von Liebe, Schönheit und Leben. Die Revolution ist die Liebe. Was wird dann alles möglich?
In praktisches Handeln übersetzt ist dieser Wandel des Herzens für die Heilung des Klimas letztlich viel wichtiger als die Maßnahmen, die konventionell von den Klima-Warnern und Klimaaktivistinnen verlangt werden. Es ist, als müssten wir erst aufgeben die Welt zu retten, um offen zu werden für das, womit wir sie am Ende wirklich retten werden.
Anmerkungen
[1]Crist (2007), 54.
[2]Light (2014).
[3]Ridley (2015). Vielleicht um sich Glaubwürdigkeit zu verschaffen bezichtigt Ridley in diesem Essay andere Abweichungen von der konventionellen Meinung, etwa den Glauben an die Homöopathie oder an die Gefahren von genetisch manipulierten Nahrungsmitteln, als Pseudowissenschaft.