Klima – eine neue Perspektive
Kapitel
Kapitel 4: Wasser
Fünftausend Jahre Klimawandel
Folgt man dem Standard-Narrativ über den Klimawandel, dann ist das Klima bis zum zwanzigsten Jahrhundert, als industrielle Emissionen substantielle Ausmaße annahmen, relativ stabil gewesen. Das mag auf die Temperaturen zutreffen oder nicht, aber in Bezug auf das Wasser haben die letzten paar tausend Jahre dramatische Veränderungen erlebt. Die Erde ist bedeutend trockener geworden, und ja, ich fürchte, ein großer Teil der Schuld hierfür ruht auf den Schultern der menschlichen Zivilisation.
Manchen Forschern zufolge war der Anstieg von CO2 und Methan schon lange vor der Industriellen Revolution am Laufen. William Ruddiman behauptet, dass der anomale Anstieg beider Gase (verglichen mit vorherigen zwischeneiszeitlichen Perioden) mit dem Beginn der jungsteinzeitlichen Entwaldung und dem Ackerbau einherging.[1] Sein Artikel sammelt verschiedenartige Beweise – historische, archäologische und geologische – dass massive Abholzungen vor zweitausend Jahren in China, Indien, dem Mittleren Osten, Europa, Nordafrika und in geringerem Maße auf dem amerikanischen Kontinent stattfanden. Deren Beitrag zum Anstieg der Treibhausgase, so sagt er, sei doppelt so hoch gewesen, wie jener der industriellen Ära, die den langfristigen Trend nur beschleunigt hat.
Ruddiman argumentiert von einer konventioneller Treibhausperspektive aus; aus der Perspektive des Wassers und der Biotischen Pumpe ist die Situation sogar noch alarmierender. Haben Sie je auf ein Satellitenbild der Erde geschaut und mit einem Schauer der Vorahnung den enormen, wachsenden Wüstengürtel gesehen, der sich fast dreizehntausend Kilometer von der Westküste Afrikas über die Arabische Halbinsel bis in die Mongolei erstreckt? Plus ihre kleineren Verwandten im amerikanischen Südwesten, an der Westküste Südamerikas und auf fast dem gesamten australischen Kontinent? Oder Südafrika und jetzt sogar Teile Spaniens und Brasiliens? Die meisten dieser Orte waren einmal grün. Die Mongolei wurde gerade mal vor viertausend Jahren zur Wüste und nicht vor Millionen von Jahren, wie man vorher dachte.[2] Die Sahara war vor sechstausend Jahren noch eine üppige Savanne. Geomechanisch orientierte Wissenschaftler schreiben ihre Verwüstung normalerweise einer Verschiebung der Erdachse zu, aber menschliche Aktivitäten haben sie wahrscheinlich verschärft.[3] Noch in Zeiten des Römischen Reiches standen elegante Städte, genährt von lange verschwundenen Wassereinzugsgebieten, dort, wo heute Wüste ist.[4] Der Mittlere Osten, Wiege der Zivilisation, war ebenfalls einmal ein fruchtbares Paradies; Abholzung ist dort schon seit dem Epos von Gilgamesch, wie auch in Ablagerungen von Pollen- und Holzkohle dokumentiert. Biblische Wälder, wie der Wald von Ziph und der Wald von Bethel sind heute Wüste; verschwunden sind ebenso die Zedern des Libanon und die Wälder der griechischen Inseln, in denen einst Artemis jagte. Die Entwaldung beschleunigte sich in römischer Zeit und wird oft für den Untergang des Reiches verantwortlich gemacht.
Im Kritias bietet Plato eine anschauliche und zutreffende Beschreibung der Auswirkungen von Entwaldung:
Nun, da alle fruchtbare und weiche Erde fortgespült wurde, bleibt nur der nackte Grund, wie die Knochen eines kranken Körpers. In früheren Zeiten … waren die Ebenen voller Humus, und es gab reichlich Nutzwald in den Bergen … Die jährlichen Regenfälle pflegten das Land fruchtbar zu machen, denn das Wasser rann nicht ab von der Erde zur See … Wo einmal Quellen waren, da bleiben heute nur noch die Schreine.
An vielen Orten breiten sich Wüsten weiterhin aus, und neue Wüsten entstehen. Die Erde hat mehr als drei Prozent ihrer verbliebenen Wälder zwischen 2000 und 2012 verloren. Gegenwärtig hat die Erde nur noch etwa die Hälfte der Bäume, die sie zu Beginn der Zivilisation hatte.[5] Die Vereinigten Staaten haben im zurückliegenden Jahrzehnt eine Waldfläche der Größe von Maine verloren. Die Entwaldung in Brasilien stieg um 29% im Jahre 2016, bevor sie im Jahre 2017 auf ein Niveau absank, das immer noch höher ist als 2012 war. Queensland, Australien, verlor vierhunderttausend Hektar Bäume von 2015-2016, was zu erhöhtem, Sediment-bedingtem Stress für das benachbarte Große Barriereriff beitrug.[6] Global stieg der Verlust an Baumbestand 2016 im Vergleich zum Vorjahr um 51%.[7]
Eins ist klar: In entwickelten wie in weniger entwickelten Ländern nimmt die Ausdehnung und Qualität der Wälder ab. Auch anderen Arten von Land- und Wassermissbrauch geschuldet, fordert die Wüstenbildung global laut den Vereinten Nationen jährlich etwa 12 Millionen Hektar Land. Darüber hinaus ist die Wüstenbildung nur die auffälligste Manifestation einer generellen Verarmung des Lebens auf der Erde, die in jede Region und jedes Biom hineinreicht. Das Leben ist fast überall auf dem Rückzug, selbst an Orten, die überhaupt nicht wie Wüsten aussehen.
Mit anderen Worten stirbt das Land vor unseren Augen, und es tut dies seit dem Altertum. Wir müssen aufhören, es zu töten. Hier geht es um mehr als die Senkung von Treibhausgasemissionen. Wir müssen unsere Beziehung zu Land und Meer, wie sie in Jahrtausenden der Zivilisation üblich war, revidieren. Es tut mir leid, aber bloß auf sogenannte erneuerbare Energiequellen umzusteigen reicht nicht aus. Wir sind aufgefordert, tiefe Fragen zu stellen, wie: „Wozu sind wir hier?“, „Was ist die Rolle der Menschheit auf Erden?“, „Was will die Erde?“
Wenn wir diese Fragen untersuchen, werden einige der von Klimaaktivisten propagierten Maßnahmen eine neue Motivation und Bedeutung annehmen, während andere als bloße Neuauflage der alten Beziehung entlarvt werden. Große Wasserkraftwerke, endlose Flächen von Solarkollektoren, Landschaften voll mit Windrädern und vor allem Biosprit-Plantagen schädigen die Ökosysteme, deren Raum sie einnehmen. In der neuen Beziehung (neu für die Zivilisation, nicht neu für indigene Kulturen) werden wir uns jedes Mal, wenn wir etwas von der Erde nehmen, bemühen, dies so zu tun, dass es sie bereichert. Wir sind uns durchaus unseres Einflusses bewusst, und wir trachten nicht danach, ihn zu minimieren. Denn die Auswirkungen unseres Handelns sollen schön sein und dem Leben dienen.
Die Antworten auf die obigen Fragen (Wofür sind wir hier?…), die ich in den folgenden Kapiteln untersuche, beginnen mit der Erkenntnis aus diesem und dem nächsten Kapitel, dass das Leben günstige Lebensbedingungen schafft. Und wer sind wir Menschen? Wir sind auch Leben. Wir sind Leben, geboren in eine bestimmte Form, ausgestattet mit einer Reihe von Begabungen. Wie für alles Leben ist unser Zweck, dem Leben zu dienen – sowohl dem, was es ist, als auch dem, was es werden könnte. Denn das Leben ist niemals statisch. Jede Entfaltung von Komplexität baut auf der vorigen auf. Was ist der Traum des Lebens? Was will als nächstes geboren werden und wie können wir dem dienen? Diese Fragen müssen die alte Zivilisationsfrage ablösen: Wie können wir am effektivsten Ressourcen aus der Erde extrahieren, um die Welt der Menschen zu bauen?
Anmerkungen
[1]Ruddiman (2003).
[2]Yang et al. (2015). Und mehr in Yirka (2015).
[3]Siehe z.B. Weisman (2008).
[4]Hughes (2014), 3.
[5]Crowther et al. (2015).
[6]Robertson (2017).
[7]Weisse und Goldman (2017).